Aus einer Rezension der Aufführung in Travnik im bosnischen Szeneblatt «Hiatus junior»:

(bosnischer Originaltext, erfordert osteuropäischen Zeichensatz)

Sprechender Stein

«Mit meinem Tod ist auch meine Welt gestorben...»

(...)

Nach über zwei Jahrzehnten durften wir Zeugen davon werden, dass die erhabene poetische «Welt» Mak Dizdars (1917 - 1971) alle Tode dieser Welt überlebt hat. (...) Man ist überrascht und fühlt sich fast ein wenig ungemütlich, dass erst eine internationale Gruppe von Künstlern in das eigene Land kommen und einem selbst unbekannte Schätze von Mak Dizdar präsentieren muß. Obwohl eigentlich nur nach Travnik gekommen, um türkischen Kaffee im Hause Ivo Andriæ zu trinken, ermöglichten schnell geschlossene Bekanntschaften dem Ensemble, sein poetisches Bühnenwerk «Die Zeit ist nah» im Travniker Theater aufzuführen.

Dizdars Dichtungen wurden Dias der Bogumilensteine von der Nekropole Radimlja bei Stolac vorangestellt, die Martin-Ingbert Heigl dort machen konnte, bevor ihn die Polizei an weiteren Aufnahmen hinderte. Nach dieser Einführung wurde man vollständig ergriffen von einem Kaleidoskop aus Rezitation, Musik und eurythmischer Bewegung.

Durch ihre starke Überzeugungskraft verdient die Eurythmie von den anderen Mitteln des Projektes abstrahiert zu werden. (...) Der Eurythmist vermochte mit seinen Bewegungen die Gedichte so zu beleuchten, dass wie in einem schönen Schein Dizdars Gedichte Wort für Wort und Vers für Vers zum Leben erweckt wurden. Sie wurden damit selbst zu Teilnehmern der Aufführung, die vor den Zuschauern tanzten. Doch reichen Worte nicht aus, die Symbolik der Bewegungen, die Martin-Ingbert Heigl verwendete, zu beschreiben.

Schwer verständlich ist im nachhinein, dass man sich nicht erkundigt hat, welche Motivation die Künstlergruppe bei dieser Inszenierung geleitet hat. Erst, wenn man in zwei Tagen des Zusammenseins entdeckte, wie doch jeder von ihnen verbunden mit und fasziniert von Bosnien ist, wird einem klar, wie groß und mächtig die Dichtung Mak Dizdars in ihrer Aufführung ist. (...) Martin-Ingbert Heigl hat sogar eine Studie über den «sprechenden Stein» verfaßt mit den Gedanken, dass es eine Aufgabe unserer Zeit sei, die Symbolik dieser Steine zu dechiffrieren, damit sie für die Zukunft Wege weisen könnten.

(...)

Hat man dieses Werk erlebt, lebt es in einem unzerstörbar in aller Größe wie der «sprechende Stein» selbst.

Tremal Nayk

Aus: Hiatus junior, Oktober/November 96 (gekürzt)